Reise in die Region Tschernihiw November 2024 Teil 7

 

27. 11. 2024

 

Julia hat ein tolles Programm organisiert. Im Rathaus treffe ich viele nette KollegInnen von ihr, ein kurzer Empfang beim Bürgermeister, Gespräche mit Jugendlichen in einem Jugendzentrum, Teilnahme an der Eröffnung eines Sozialzentrums für Frauen, Stadtspaziergang und Besuch des 3. Gymnasiums mit Gespräch mit SchülerInnen. Ein Feuerwerk an Eindrücken. Nizhyn auf dem Weg zu einer modernen Stadt in Europa.

 

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Um 8 Uhr habe ich bereits meinen ersten "Termin" im Rathaus, aber ich bin zeitig auf und mache vorher einen kleinen Spaziergang inn Nizhyns Innenstadt. Es ist nebelig und kalt, wohl um die null Grad und noch relativ ruhig auf den Straßen und auf dem Weg am Rande des Parks.

 

 

 

 

Für kurz vor 8 Uhr bin ich mit Julia am Eingang des Rathauses verabredet, denn um 8 beginnt eine Veranstaltung im Sitzungssaal des Stadtrats von Nizhyn, auf der der Bürgermeister einen Bericht über das Jahr 2024 vorstellt.

Während ich an der Eingangstür warte, gehen viele Beschäftigte an mir vorbei ins Rathaus, dann auch der Bürgermeister. Als er schon durch die Tür ist, dreht er sich kurz um, kommt ein paar Schritte zurück auf mich zu und nach kurzer Vorstellung führt er mich in Richtung Sitzungssaal des Stadtrats. Ich kannte das Gesicht des Bürgermeisters schon von der Internetseite des Stadtrats Nizhyn und er wusste anscheinend auch mit dem fremden Mann neben der Eingangstür irgend etwas anzufangen. War er über meinen Besuch informiert?

Es sind wohl vor allem Mitarbeiter der Stadtverwaltung und insbesondere städtischer Betriebe anwesend. Der Bürgermeister beantwortet zum Schluss Fragen aus dem Publikum und kurz vor 9 Uhr ist die Veranstaltung zuende.

 

Anschließend strömen alle nach draußen vor den Haupteingang des Rathauses. Über Außenlautsprecher höre ich Musik und es folgt eine Schweige- und Gedenkminute für die Opfer des Krieges Russlands gegen die Ukraine.

 

Nun, ich glaube es kaum, lotst Julia mich zum Büro des Bürgermeisters. Wir warten im Vorzimmer ein paar Minuten, in das Zimmer des Bürgermeisters ist es ein Kommen und Gehen und dann gehen Julia, Yuliia und ich ins Amtszimmer.

Amtszimmer Buergermeister Nizhn

Nun, ich glaube es kaum, lotst Julia mich zum Büro des Bürgermeisters. Wir warten im Vorzimmer ein paar Minuten, in das Zimmer des Bürgermeisters ist es ein Kommen und Gehen und dann gehen Julia, Yuliia und ich ins Amtszimmer.

Es gibt ein kurzes Gespräch, ich stelle mich kurz vor und versuche zu verdeutlichen, was mein Anliegen ist. Eine Fotografin ist gleich mit ins Amtszimmer gekommen, ich überreiche einen kleinen Bildband über die Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern, bekomme eine Tasche mit Souvenirs von Nizhyn und es werden ein paar Bilder gemacht.

 

    

Am nächsten Tag sehe ich einen Post auf der Facebook-Seite des Stadtrats Nizhyn zu meinem kurzen Besuch beim Bürgermeister (Ehrenamtler Bley besucht Nizhyn…). Mein Eindruck ist, dass es richtiger Weise bei meinem kleinen Besuch beim Bürgermeister und dem Facebook-Post danach weniger um mich als Person als um ein Signal der Solidarität und der Zusammengehörigkeit nach innen, in die Bevölkerung von Nizhyn hinein, geht. Die Nizhyn Post, ich kenne sie bereits als online-Zeitung, bringt am übernächsten Tag einen kleinen Beitrag, auch mit Bildern aus dem 3. Gymnasium, das ich später besuche.

Julia hat ein komplettes Tagesprogramm für mich organisiert. Sie ist zwar beruflich stark beschäftigt, hat aber Kateryna und Dmytrii gebeten, mich am weiteren Vormittag und über Mittag zu begleiten. Kateryna ist im Bereich internationale Angelegenheiten des Stadtrats Nizhyn tätig.

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Dmytrii geht mit mir eine Weile durch die Innenstadt, erläutert mir einige Facetten der Stadtgeschichte, dann betreten wir ein Jugendzentrum und sind plötzlich in einer Gruppe von Jugendlichen, die sich mit Lehrerinnen über Berufsorientierung und Fragen der Gründung eines start ups unterhalten. Eine gute halbe Stunde versuche ich Rede und Antwort zu stehen, auch zur innenpolitischen Situation in Deutschland und zur Perspektive der Unterstützung der Ukraine durch Deutschland. Nach der „Alternative for Germany“ wird gefragt, wie ich das einschätze. Die jungen Menschen hier sind sehr gut informiert über Deutschland, erstaunlich gut. Ja, in Deutschland haben wir seit ein paar Jahren eine zunehmend schwierige innenpolitische Situation, populistische, pro-russische Kräfte gewinnen an Zustimmung. Wir müssen in Deutschland unsere freiheitliche Demokratie verteidigen. Und die innenpolitischen Entwicklungen in Deutschland haben eine große Relevanz für die Unterstützung der Ukraine durch Deutschland. In anderen europäischen Ländern gibt es leiderähnliche Entwicklungen.

Jugendzentrum Nizhyn

 

Zurück zum Rathaus übernimmt Kateryna jetzt meine Begleitung. Vor dem Rathaus wartet ein Kleinbus und ich fahre mit einer Gruppe zu einem sozialen Zentrum zur Unterstützung von Frauen, das gleich eröffnet werden soll. Im Bus sind wohl Vertreterinnen des Stadtrates von Nihzyn und aus der Stadtverwaltung. Später kommen noch weitere Besucher aus der Stadt-Community hinzu.

Es gibt eine Führung durch das Haus mit seinen verschiedenen Angeboten wie Basteln, Sport, Massage und einen kleinen Friseur-Salon. Hier scheint vor allem ein Ort für allein lebende ältere Frauen zu sein. Die Räume machen einen frischen, hellen Eindruck und sind mit moderner Technik ausgestattet. An den Wänden sind Tafeln aufgehängt, auf denen zu sehen ist, aus welchen Ländern Unterstützung für diese Einrichtung gekommen ist (Polen, Kanada...). Spontan frage ich, ob ich mir hier die Haare schneiden lassen kann, das ist schon länger überfällig. Na klar geht das, aber erst später. Jetzt gibt es das offizielle Programm der Eröffnung der Sozialstation, es werden Reden gehalten, eine Präsentation vorgetragen und viele Bilder gemacht. Die beiden Fotografen, die ich schon heute morgen im Sitzungssaal des Stadtrats gesehen habe, sind auch da. Schließlich versammeln sich alle um ein Buffet mit Kuchen und Süßigkeiten und jetzt kommt die Gelegenheit, zur Friseuse zu gehen. Wie ich später auf facebook sehe, gilt auch hier: „tue Gutes und zeige es“ der Stadtgesellschaft, und zwar bald und und mit Bildern auf den modernen social-media-Kanälen.

 

Kateryna begleitet mich und hat anscheinend ihren Spaß, jedenfalls bekomme ich hinterher eine Fülle an Fotos davon. Nur mit Mühe gelingt es mir, den Haarschnitt regulär zu bezahlen.

Haarschnitt Nizhyn 

Das timing hat gut geklappt, ich komme mit dem Kleinbus wieder zurück zur Rathaus und Kateryna bringt mich ein paar Hundert Meter am Park entlang, wo wir vor dem neuen Denkmal für die gefallenen Soldaten auf Julia treffen wollen. Unterwegs sehen wir ein Hochzeitspaar, dass bei schönstem Sonnenschein im Park ein paar Hochzeitbilder lassen machen will.

Hochzeitspaar im Park in Nizhyn

 

Auf einmal steht Julia vor mir, ein fröhliches Wiedersehen.Julia ist Deutschlehrerin am 3. Gymnasium in Nizhyn . Julia hatte ich schon im Main 2024 kennen gelernt, als ich für ein paar Stunden in Nizhyn war. Den Kontakt zu ihr hatte ich über den Verband der Deutschlehrer in der Ukraine erhalten. Nizhyn ist die Stadt der Julias, wenn auch die Transkription ins Deutsche anscheinend verschieden ist.

Nizhyn erinnert sich (Text auf dem Plakat).

    

Mit Julia geht es zum 3. Gymnasium, an dem ich im Mai 2024 schon einmal gewesen bin. Wir gehen vielleicht eine Viertelstunde an den nördlichen Rand der Innenstadt undwerden in der Schule von der Schulleiterin, ihrer Stellvertreterin Olena und einer weiteren Deutschlehrerin empfangen. Vorbei an ausgestellten Bildern von SchülerInnen geht es in einen Klassenraum, wo bereits ein Gruppe von Jugendlichen auf uns warten, die an der Schule Deutsch lernen und sich gut auf das folgnede Gespräch vorbereitet haben. Welche Hobbies habe ich, was habe ich beruflich gemacht, was ist ein typisches deutsches Essen - ich weiss nicht, was ich hier sagen soll, wo wohne ich? Auf einer Landkarte an der Wand mit den deutschen Bundesländern zeige ich Mecklenburg-Vorpommern. Sind wir hier in einem Deutsch-Fachraum?

Zu Schluss werden kleine aus Papier ausgeschnittene Herzen mit den ukrainischen Nationalfarben verteilt und alle schreiben Wünsche auf die Rückseite. Ich bekomme viele kleine Herzen als Geschenk mitgegeben.

   

Danach folgt ein Gespräch im Zimmer der Schulleiterin. Wo kann ich konkret helfen? Die Schule braucht Hilfe beim Ausbau eines Schutzraumes im Keller. Wo gibt es Unterstützung bei der Finanzierung?

Keller Schutzkeller Nizhyn

 

Nach dem Schulbesuch streife ich durch das schon abendliche Nizhyn zum Hotel zurück. Auch ohne google maps finde ich nach und nach den Weg. Am zentralen Platz vor dem Rathaus sehe ich noch eine Buchhandlung, die geöffnet ist. Ich kann nicht widerstehen, gehe rein und finde ein Buch über die ukrainische Geschichte auf Englisch. Es ist wie ein Comic gestaltet, eine grafic novel. Ich kaufe dieses Buch und ein paar Karten, die die Ukraine thematisch darstellen. Wo werde ich dafür zuhause noch einen freien Platz an der Wand finden?

 

 

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Herzlichen Dank an Julia und ihre Kolleginnen und Kollegen für den außerordentlichen Empfang!

Morgen geht es zurück nach Hause.

 

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© Copyright Text und Fotos Gerhard Bley